Georg
Oberhäuser`s „Großes Mikroskop“ und
„Okularmikrometer“
von
Prof. OStR Erich Steiner
Georg
Oberhäuser (1798 – 1868) wurde in Ansbach in Mittelfranken
als Sohn eines Drechslermeisters geboren. Er begann in Würzburg
seine Lehre. Diese konnte er jedoch wegen des Todes seines Lehrmeisters
nicht beenden. Oberhäuser ging nach Paris und eröffnete 1830
zunächst mit Trécourt und Bouguet eine optische und feinmechanische
Werkstätte, die er aber um 1835 alleine weiter führte.
Er stellte zunächst Trommelmikroskope her. Als aber immer deutlicher
wurde, dass bei diesem Stativtyp die Verstellbarkeit des Spiegels beschränkt
und die Einstellung der Schiefen Beleuchtung fast unmöglich war,
konzentrierte sich Oberhäuser ab 1848 auf das Hufeisenstativ, das
aber nicht von ihm, sondern von Chevalier erfunden worden war.
Mikroskopbau durch Oberhäuser und Hartnack
Oberhäuser`s Mikroskope waren sehr einfach, praktisch gebaut und
preiswert. Viele Wissenschaftler konnten sich daher so ein Gerät
kaufen. Auch die Objektive waren von hervorragender Qualität. Oberhäuser
war ein Meister des „Pröbelns“. Daher haben auch Objektive
mit der gleichen Nummer häufig verschiedene Vergrößerungen.
1854 stellte Oberhäuser seinen Neffen Edmund Hartnack (1826 –
1891) in seinen Betrieb ein. Hartnack stellte zunächst Objektive
für Mikroskope und Fernrohre her, bevor ihm bereits 1860 die technische
Leitung übertragen wurde. 1864 erwarb er das Unternehmen von Oberhäuser,
der sich anschließend aus dem Geschäftsleben zurückzog.
Hartnack führte die Werkstätte mit großem Erfolg weiter
und konnte den guten Ruf, den sie schon hatte, noch weiter ausbauen.
Dabei konzentrierte er sich auf den Mikroskopbau. 1870 musste Hartnack
wegen des Deutsch-Französischen Krieges Paris verlassen. Er übersiedelte
nach Potsdam, firmierte unter „E. Hartnack & Co, Paris und
Potsdam“ und arbeitete dort erfolgreich bis zu seinem Tod. Hartnack´s
Objektive wurden damals in Deutschland von vielen Fachleuten als die
besten des Kontinents angesehen.
"Großes Mikroskop" und Okularmikrometer
Durch einen Bekannten war es mir möglich, ein sehr gut erhaltenes
seltenes „Großes Mikroskop“, das noch in der Zeit
aus der Zusammenarbeit von Oberhäuser mit Trécourt (um 1833)
gebaut wurde, bzw. ein ebenso seltenes „Oberhäuser-Okularmikrometer“
zu untersuchen (Abb. 1).
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Abb.
1: „Großes Mikroskop“ mit „Oberhäuser`s-Okularmikrometer“
|
Das
Mikroskop besteht aus einem kippbaren Messingstativ mit Original-Zaponierung,
auf 6,1 cm hoher geschwärzter prismatischer Säule und mit
Blei ausgegossenem original zaponierten Hufeisenfuß aus Messing.
Das Stativ weist aber eine Besonderheit auf. Da Oberhäuser erst
ab 1848 Mikroskope mit Hufeisenfuß baute, ist anzunehmen, dass
dieses Gerät ursprünglich ein Trommelmikroskop war. Der ehemalige
Besitzer ließ dann sicher nach 1848 von Oberhäuser bzw. Hartnack
(ab 1854) das Mikroskop fachmännisch auf ein moderneres und praktischeres
Gerät mit Hufeisenfuß umbauen.
Die
technischen Daten
Gesamthöhe
in Arbeitsstellung: 33 cm (mit Objektiv Nr. 4 und senkrecht gestelltem
Tubus).
Tubus: 18 cm, monokular, im unteren Teil verjüngt.
Trieb: Grobtrieb: mit Schiebevorrichtung; Feintrieb:
Mikrometerschraube oberhalb des Tisches auf runde 11 cm hohe Säule
wirkend, die auch mit dem plattenförmigen Tubusträger-Arm
verbunden ist.
Tisch: runder, zaponierter Messingtisch (9,5 cm Durchmesser)
mit schwarzer, runder Hartgummiauflage (8,5 cm Durchmesser), der sich
um seine Achse drehen lässt. Der Rundtisch ist in einer geschwärzten
Messingplatte (9 x 9 cm) eingelassen und hat 2 Objektträgerklemmen.
In der Mitte des Tisches ist eine 3 cm breite runde Öffnung zum
Hineinlegen einer Glasplatte.
Beleuchtungsapparat: Hohl- und Planspiegel in Kardanhalterung,
in runder Hülse
eingebaute Irisblende
Optik: 5 achromatische Objektive (Nr. 2, Nr. 4, Nr.
5a, Nr. 7, Nr. 8), 4 Huygens- Steckokulare (Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr.
4; Nr. 2 ist ein Okularmikrometer)
Signatur: Auf dem plattenförmigen Tubusträger-Arm
mit „Trécourt & Georges Oberhaeuser, Place Dauphine
19, Paris“ bzw. „Microscope Platine à Tourbillon,
Brevet d´Invention“ signiert (Abb. 2 und 3). Baujahr um
1833.
Zubehör: 1 versperrbarer Mikroskopkasten aus Holz
(L x B x H; 16 x 12,5 x 34 cm; nicht original), 2 belederte Objektiv-Etuis.
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Abb.
2: Signatur 1 |
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Abb.
3: Signatur 2 |
Tabelle
1: Objektiv-Parameter
Objektiv-Nummer |
Vergrößerung |
Brennweite |
Mikrometerwert
*) |
Arbeitsabstand |
2 |
7x |
25,7 mm |
19,23 µm |
20,0 mm |
4 |
17x |
10,6 mm |
7,86 µm |
3,0 mm |
5a |
38x |
4,7 mm |
3,51 µm |
1,3 mm |
7 |
55x |
3,3 mm |
2,40 µm |
1,0 mm |
8 |
67x |
2,7 mm |
1,98 µm |
0,9 mm |
*)
in µm (1 µm = 1/1000 mm) pro kleinstem Teilstrich auf der
Mikrometerskala
des Oberhäuser-Okularmikrometers (Nr. 2)
Tabelle
2: Okular Parameter
Okular-Nr. |
Vergrößerung |
1 |
4x |
2 |
4,5x |
3 |
7x |
4 |
10x |
Methodik zur Bestimmung der Okular-Vergrößerung
Ein
Objektmikrometer (2 mm geteilt in 200 Teile) wurde mit Hilfe einer starken
Mikroskopierleuchte und mit einem Objektiv zur Eichung im bekannten
Abbildungsmaßstab 10:1 mit Hilfe des unbekannten Okulars auf eine
Mattscheibe in 250 mm Entfernung projiziert, um die wahre Vergrößerung
festzustellen.
Vergrößerungsbestimmungen
Die Mikrometerwerte
(Tabelle 1) wurden mit dem Oberhäuser-Okularmikrometer und einem
Objektmikrometer (2mm geteilt in 200 Teile) bestimmt.
Die Objektiv-Vergrößerungen wurden mit Hilfe der bestimmten
Objektiv-Mikrometerwerte im Vergleich mit einem Test-Mikrometerwert
einer bekannten Objektivvergrößerung rückgerechnet.
Die Objektiv-Brennweiten (f in mm) wurden, nachdem die Vergrößerungen
(V) der Objektive bestimmt worden waren, für eine mechanische Tubuslänge
von 180 mm berechnet.
f =180:V
Oberhäuser`s-Okularmikrometer
Es ist original.
zaponiert, 5 cm hoch, mit Nr. 2 bezeichnet und vergrößert
4,5x. Es hat eine 8mm hohe Scheibe mit 57 mm Durchmesser, in der sich
in Blendenhöhe eine mit einer Mikrometerschraube bewegliche, in
Glas geritzte, Mikrometerskala von 10 mm Länge befindet. Jeder
Millimeter ist noch in Zehntel-Millimeter unterteilt. Durch die Mikrometerschraube
ist es daher leicht möglich, das Okular-Mikrometerplättchen
auf eine gewisse Strecke quer durch das Gesichtsfeld zu führen.
Da sich das Okularmikrometer im Mikroskoptubus leicht drehen lässt,
so kann man es bequem in die zur Messung günstige Stellung gegen
das Objekt bringen. Zum Scharfstellen kann die Okularlinse in einer
senkrecht geschlitzten Hülse verschoben werden. Eine Schraube,
welche in die geschlitzte Hülse eingreift, begrenzt die Bewegung.
Eine Besonderheit des Oberhäuser-Okularmikrometers ist die Möglichkeit,
kleine Objekte noch zehnmal genauer ausmessen zu können, als mit
einem normalen Okularmikrometer.
Die Theorie ist folgende: Die Mikrometerskala bildet ein Rechteck von
1 mm Breite und 10 mm Länge und enthält 100 Intervalle, die
von der Diagonale des Rechteckes so durchschnitten werden, dass die
senkrechten Linien von der Grundlinie zur Diagonale hundertstel Millimeter
ergeben (Abb. 4).
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Abb.
4: Schematische Zeichnung zum besseren Verstehen der Mikrometerskala
im Oberhäuser-Okularmikrometer. Im dem hier beschriebenen
Gerät ist das oben angeführte Rechteck und die Bezifferung
nicht in die Mikrometerskala eingeritzt, sondern nur die Grundlinie
und die Diagonale (Abb. 5). |
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Abb. 5:
Schematische Zeichnung der Mikrometerskala im hier beschriebenen
Okularmikrometer |
Für
eine Messung muss natürlich zuerst mit Hilfe eines Objekt-Mikrometers
der Mikrometerwert des verwendeten Objektives pro Teilstrich auf der
normalen Mikrometerskala bestimmt werden. Bei größeren Objekten
kann dann die Messung nach der Formel:
L = Länge des Objektes; k = Anzahl der Mikrometerskala-Skalenteile;
M = Mikrometerwert des verwendeten Objektives
L = k x M
Bei kleinen Objekten
wird das Objekt so lange verschoben, bis es die Grundlinie und die Diagonale
der besondern Mikrometerskala berührt (Abb. 6).
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Abb.
6: Ausschnitt der besonderen Mikrometerskala zum Verständnis
für das Ausmessen kleiner Objekte |
Formel für
die Messung von kleinen Objekten:
L = Länge des Objektes; p = Proportionalteilstelle, an der das
Objekt die Grundlinie und die Diagonale der besonderen Mikrometerskala
berührt; M = Mikrometerwert
des verwendeten Objektives
L = (pxM):10
Beispiel (Abb. 6):
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Abb.
6: Ausschnitt der besonderen Mikrometerskala zum Verständnis
für das Ausmessen kleiner Objekte |
Objektiv Nr. 4; p
= 16; M = 7,86
L = (pxM):10 = (16x7,86):10
= 12,576
Das Objekt ist rund 12,6 µm lang.
Im Vergleich mit modernen
Schraubenmikrometer-Okularen war beim Oberhäuser-Okularmikrometer
kein Unterschied in der Genauigkeit feststellbar.
Das Oberhäuser-Okularmikrometer
ist auf der Scheibe in der sich die Mikrometerskala befindet mit „E.
Hartnack suc. de G. Oberhaeuser a Paris. bté s.g.d.g.“
signiert (Abb. 7). Es wurde zwischen 1860 und 1870 von Hartnack gebaut.
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Abb. 7: Okularmikrometer-Signatur
|
Abschließend
kann nur gesagt werden, dass Oberhäuser`s bzw. Hartnack`s Erzeugnisse
höchstes Lob verdienen.
Literaturhinweise:
Dippel, Leopold: Das Mikroskop und seine Anwendung. Erster Theil, Verlag
von Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig, 1872
Frey, Heinrich: Das Mikroskop und die Mikroskopische Technik. Verlag
von Wilhelm Engelmann, Leipzig, 1881
Gerlach, Dieter: Geschichte der Mikroskopie. Verlag Harri Deutsch, Frankfurt
am Main, 2009
Gloede, Wolfgang: Vom Lesestein zum Elektronenmikroskop. VEB Verlag
Technik, Berlin, 1986
Harting, P.: Das Mikroskop. Band 3, Verlag von Friedrich Vieweg und
Sohn, Braunschweig, 1866
Kaiser, Wilhelm: Technik des modernen Mikroskopes. Verlag von Moritz
Perles, Wien, 1906
Kambeck, Björn Uwe: Alphabetische Liste kontinentaler Hersteller
von Mikroskopen des 18. und 19. Jahrhunderts. Privatdruck, Hildesheim,
6/2001
Patzak Beatrix (Hrsg.), Steiner Erich, Schulz Peter: Die Mikroskopesammlung
des Pathologisch-Anatomischen Bundesmuseums im Wiener Narrenturm. Pathologisch-
Anatomisches Bundesmuseum Wien, Wien, 2008 |