Jones
Most Improved Microscope
von Peter Dollond
Prof.
OStR Erich Steiner
Der Englische Mikroskophersteller Benjamin Martin (1704-1782) beschrieb
1759 erstmalig das „Universalmikroskop“. Um 1772 kam sein
Spitzenmodell, das „New Universal Microscope“ auf den Markt,
dessen Objektive zum Wechseln in einer drehbaren Scheibe montiert waren.
Es konnte als „Einfaches“ oder als „Zusammengesetztes
Mikroskop“ verwendet werden.
Die erste Form eines Objektivrevolvers wurde aber bereits 1746 von Georg
Adams d. Ä. (um 1704-1772) in seinem Werk „Micrographia illustrata“
beschrieben. Sechs verschieden starke Objektivlinsen wurden zum bequemeren
Wechsel in ein Rad eingebaut. Die Scharfeinstellung wurde durch Verstellen
des Tisches mit Hilfe einer Schraube erreicht.
Es folgten weitere konstruktive Veränderungen. Nach dem Tod von
Georg Adams d. Ä. übernahm der ältere der beiden Söhne,
Georg Adams d. J. (1750-1795) die Werkstatt. 1787 beschrieb er in seinen
„Essays on the Microscope“ neben anderen Modellen „The
Improved Compound Microscope“.
Nach seinem Tod führten William Jones (1763-1831) und sein jüngerer
Bruder Samuel die Werkstatt weiter. 1798 wurde das von den Gebrüdern
weiter optimierte „Universalmikroskop“ als „Jones
Most Improved Microscope“ vorgestellt, das sich mit einem Gelenk
schräg stellen ließ und sowohl als „Einfaches“
oder als „Zusammengesetztes Mikroskop“ zu verwenden war.
Diese Stativform fand besonders in Großbritannien weite Verbreitung,
so dass auch Peter Dollond (1730-1820) um 1800 bis 1820 dieses Mikroskop-Modell
fertigte.
Einige Mikroskopbauer in Österreich und Deutschland, wie Simon
Plössl (1794-1868) und Friedrich Wilhelm Schiek (1790-1870), nahmen
sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Säulenstative
der Gebrüder Jones als Vorbild für ihre ersten eigenen Geräte.
 |
Abb.
1: Mikroskop für Durchlichtuntersuchungen |
Durch
einen Zufall war es mir möglich ein besonders gut erhaltenes „Jones
Most Improved Microscope“ von Peter Dollond, von dem ich annehme,
dass es um 1810 erzeugt wurde, zu untersuchen (Abb. 1).
Das Gerät besteht aus einem Messingstativ mit original Zaponierung,
auf 13 cm hoher, runder, drehbarer Säule in faltbarem Dreiecksfuß
eingeschraubt.
Die 16,4 cm hohe rechteckig-prismatische Säule trägt am oberen
Ende einen festglemmbaren 8 cm langen Schieber mit einer ringförmigen
Aufnahme für den Tubus in Kombination mit dem Objektivrevolver,
einem Schraubobjektiv oder einem Objektiv mit Lieberkühnspiegel
(Abb. 2). Die Säule lässt sich mit einem Gelenk schräg
stellen.
 |
Abb.
2: Mikroskop für Auflichtuntersuchungen |
Die
technischen Daten
Gesamthöhe
in Arbeitsstellung: 33,6 cm (bei senkrecht gestelltem Tubus) Tubus:
13 cm, monokular, im unteren Teil verjüngt. Nach Abschrauben des
Tubus ist das Gerät auch als „Einfaches Mikroskop“
verwendbar.
Trieb: Grobtrieb, rechtsseitig, mit gerader Verzahnung
auf den Tisch wirkend
Tisch: viereckiger Messingtisch (5,2 x 4,2 cm) mit
anpressbarer Präparatklammer und zwei seitlichen Bohrungen für
die Aufnahme einer Auflichtbeleuchtungslinse und einer Haltepinzette
Beleuchtungsapparat: höhenverstellbarer Hohl-
und Planspiegel in Kardanhalterung
Optik: 6 nichtachromatische Lupenobjektive (Nr. 1 bis
Nr. 6) in scheibenförmigem Objektivrevolver eingebaut
1 einschraubbares nichtachromatisches Lupenobjektiv ohne Bezeichnung
1 einschraubbares nichtachromatisches Lupenobjektiv in Lieberkühn-Spiegel
ohne Bezeichnung
1 einschraubbares zweilinsiges Okular mit Feldlinse
Signatur: Auf dem faltbaren Dreiecksfuß mit „Dollond,
London“ signiert (Abb. 3)
 |
Abb.
3: Signatur auf dem faltbaren Dreiecksfuß |
Das
Zubehör
Das
Gerät verfügt über reichhaltiges Zubehör (Abb. 4):
 |
Abb.
4: Mikroskop im Holzaufbewahrungskasten mit zahlreichem Zubehör |
1
versperrbarer Holzaufbewahrungskasten aus Mahagoni (L x B x H; 24,0
x 20,4 x 8,2 cm) mit blauem Samt gefüttert
1 Auflichtbeleuchtungslinse mit Haltevorrichtung zum Befestigen am Tisch
1 Messing-Halter mit Haltepinzette und Objektnadel zum Befestigen am
Tisch
1 Okularmikrometerplättchen (5 mm geteilt in 50 Teile) zum Einlegen
in das Okular
1 Compressorium
1 Elfenbeindöschen für Sprengringe und Glimmer-Deckgläschen
1 Messing-Pinzette
1 runde Glasplatte
1 runde plankonkave Glasplatte zum Einlegen in den Tisch
1 runde schwarzweiße Tischeinlageplatte aus Bein für Auflichtbeobachtungen
1 Skalpell mit Elfenbeingriff
1 Präpariernadel mit dreikantiger Spitze mit Elfenbeingriff
4 Bein-Objektträger (Nr.1 bis Nr. 4) mit je vier Öffnungen
Vergrößerungsbestimmungen
Die Lupenobjektiv-Vergrößerungen
(V) wurden, nachdem die Brennweiten (f; in mm) der Lupenobjektive bestimmt
worden waren, nach der Formel für „Lupenvergrößerungen“
berechnet.
V = 250 mm : f
Die Mikrometerwerte
(Tabelle 2) wurden mit dem in das Okular eingelegten Okularmikrometerplättchen
und einem Objektmikrometer (2 mm geteilt in 200 Teile) bestimmt.
Tabelle
1: Objektiv-Parameter
Lupenobjektiv
Nummer |
Vergrößerung |
Brennweite |
1 |
20,0
x |
12,5.mm |
2 |
16,1x
|
15,5
mm |
3 |
8,9
x |
28,1
mm |
4 |
6,3
x |
39,7
mm |
5 |
5,5
x |
45,5
mm |
6 |
3,7
x |
67,6
mm |
Einschraubbares
Lupenobjektiv |
40,8
x |
6,1
mm |
Einschraubbares
Lupenobjektiv
in Lieberkühn-Spiegel |
10,8
x |
23,1
mm |
Methode
zur Bestimmung der Okular-Vergrößerung
Ein
Objektmikrometer (2mm geteilt in 200 Teile) wurde mit Hilfe einer starken
Mikroskopierleuchte und mit einem Objektiv zur Eichung im bekannten
Abbildungsmaßstab 10:1 mit Hilfe des unbekannten Okulars auf eine
Mattscheibe in 250 mm Entfernung projiziert, um die wahre Vergrößerung
festzustellen.
Tabelle
2: Vergrößerungen
O = Okularvergrößerung,
A = Arbeitsabstand, V = Objektivvergrößerung, M = Mikrometerwert,
G = Gesamtvergrößerung
Lupenobjektiv-Nr.
|
O |
V
|
G |
A
|
M
*) |
1 |
6,2
x |
20,0
x |
124
x |
7
mm |
10,4
µm |
2 |
6,2
x |
16,1
x |
100
x |
9
mm |
12,9
µm |
3 |
6,2
x |
8,9
x |
55
x |
17
mm |
23,6
µm |
4 |
6,2
x |
6,3
x |
39
x |
25
mm |
33,2
µm |
5 |
6,2
x |
5,5
x |
34
x |
29
mm |
38,4
µm |
6 |
6,2
x |
3,7
x |
23
x |
42
mm |
55,2
µm |
Einschraubbares
Lupenobjektiv |
6,2
x |
40,8
x |
253
x |
3
mm |
5,1 µm |
Einschraubbares
Lupenobjektiv
in Lieberkühn-Spiegel |
6,2
x |
10,8
x |
67 x |
14
mm |
19,2
µm |
*)
Mikrometerwert in µm (1 µm = 0,001 mm) pro kleinstem Teilstrich
auf dem Okularmikrometerplättchen
Für
die Auflichtmikroskopie mit Hilfe des einschraubbaren Lupenobjektivs
in Lieberkühn-Spiegel“ war ein Objektträger mit aufgeklebten
schwarzen Naturpapier-Scheibchen mit 5 mm Durchmesser als Objektunterlage
notwendig (Abb. 5). Für die Beleuchtung wurde eine Niedervolt-Mikroskopierleuchte
„Lux-FNI“ (6V, 30 W) der Firma Reichert verwendet. Das Licht
wurde über den Konkavspiegel des Mikroskops an den schwarzen Naturpapier-Scheibchen
vorbei auf den „Lieberkühn-Spiegel“ geleitet, der dann
das Objekt auf dem Naturpapier-Scheibchen beleuchtete.
 |
Abb.
5: Objektträger mit aufgeklebten schwarzen Naturpapierscheibchen
für Auflicht-Beleuchtung mit einem „Lieberkühn-Spiegel“ |
Die
Präparate
Bei den Objekten
handelt es sich um Trockenpräparate, die zwischen zwei Glimmerplättchen
mit einem Sprengring fixiert sind (Abb. 6 und 7). Trotz ihres hohen
Alters sind die Objekte noch in verhältnismäßig gutem
Zustand erhalten. Es sind in jedem Präparat - auch in den Leerstellen
- feinste Pilzfäden vorhanden, die sich eben im Lauf der Zeit entwickelt
haben.
Jeder der 4 Elfenbein-Objektträger hat eine Länge von 83 mm,
eine Breite von 14 mm und eine durchschnittliche Dicke von 2 mm. Die
Öffnungen besitzen auf der einen Seite einen Durchmesser von 8
mm und auf der anderen Seite, wo sich der Sprengring befindet, einen
Durchmesser von 10 mm.
 |
Abb.
6: Ober- und Unterseite der Elfenbein-Objektträger |
Bei
einigen Präparaten war es nicht mehr möglich fest zu stellen,
um welches Objekt es sich handeln soll (mit „ND“ bezeichnet).
 |
Abb.
7: Schema eines Elfenbein-Objektträgers |
Tabelle
3: Elfenbein-Ojektträger
L = Leerstelle ND = nicht definierbar
Objektivträger
- Nummer |
Position
in Objektträger |
Objekt |
Nr.
1: |
1
|
Pflanzenseide |
|
2 |
Spinnen-Körper
(Hinterleib) |
|
3 |
Schmetterlingsschuppen
(Tagfalter) |
|
4
|
Menschenhaare |
Nr.
2: |
1
|
Spinnen-Kieferklauen |
|
2 |
Milben
und Panzer-Teile eines Gliederfüßers |
|
3 |
ND |
|
4 |
Floh |
Nr.
3: |
1 |
Hydropolypenstockteil,
(Sertularia sp.) |
|
2 |
Insektenflügel
(Vorderteil) |
|
3 |
L |
|
4 |
Insekten-Bein |
Nr.
4: |
1
|
Holzquerschnitt,
Ahorn (Acer sp.) |
|
2 |
Hautflügel
eines Käfers |
|
3 |
Holzquerschnitt,
Tanne (Abies sp.) |
|
4
|
Fischschuppe |
Vor Einführung
der achromatischen Objektive war das „Jones Most Improved Microscope“
eines der besten Instrumente.
Literaturhinweise
Gerlach,
D.: Geschichte der Mikroskopie. Verlag Harri Deutsch, Frankfurt am Main
2009
Gloede,
W.: Vom Lesestein zum Elektronenmikroskop. VEB Verlag Technik, Berlin
1986
Moe,
H.: The Story of the Microscope. Rhodos international science and art
publishers, Denmark 2004
Patzak,
B. (Hrsg.), Steiner, E., Schulz, P.: Die Mikroskopesammlung des Pathologisch-Anatomischen
Bundesmuseums im Wiener Narrenturm. Pathologisch-Anatomisches Bundesmuseum
Wien, Wien 2008
Steiner,
E., Schulz, P.: Plössl-Mikroskope – ein Vergleich mit modernen
Geräten.
In: Annalen des Naturhistorischen Museums Wien, 107 B, S. 39 –
55, Wien 2006
Weber-Unger,
S., Mappes, T.: Bedeutende Mikroskope 1680 bis 1860. Eigenverlag, Wien
2008 |