Prof. OStR Erich Steiner und Prof. OStR
Mag. Peter Schulz
Bis etwa zur Mitte des 18. Jahrhunderts
war das „Einfache Mikroskop“ (Lupe) dem „Zusammengesetzten
Mikroskop“ überlegen. Ursachen waren vor allem Schwierigkeiten
bei der Zentrierung der Linsen, der Glasqualität, der Schleif- und
Poliertechnik, der Scharfstellung, der mechanischen Konstruktion und der
nicht behobenen sphärischen und chromatischen Abberation der verwendeten
Einzellinsen. Daher wurde von bedeutenden Mikroskopikern der damaligen
Zeit dem „Einfachen Mikroskop“ der Vorzug gegeben.
In der Kunst des Linsenschleifens für Mikroskope scheint im 17. Jahrhundert
keiner Anthony van Leeuvenhoek (1632 – 1723) übertroffen zu
haben. Das Mühsame des Linsenschleifens war Ursache, dass man auf
andere Mittel bedacht war, und statt Linsen geschmolzene Glaskügelchen
zu benutzen anfing. Der erste, der diese versuchte, war Robert Hooke (1635
– 1703). In der Vorrede zu seiner im Jahre 1665 herausgekommenen
Micrographia beschreibt er sein Verfahren. Ein Glasstreifen wird in der
Lötrohrflamme zu einem feinen Faden ausgezogen, und das abgebrochene
Ende dieses Fadens kommt hierauf in die Flamme, bis sich ein Kügelchen
gebildet hat, welches dann abgebrochen und auf einem mit einem Loche versehenen
Messingtäfelchen so befestigt wird, dass der rückständige
Teil des Glasfadens an die Seite des Loches zu liegen kommt. Hooke selbst
schreibt über den Vergleich beider Instrumente: „Tatsächlich
lassen sie (die Kügelchen; d. Verf.) das Objekt viel klarer und deutlicher
erscheinen und vergrößern genauso stark wie zusammengesetzte
Mikroskope. Und es ist sogar so, dass diejenigen, deren Augen es vertragen,
mit dem einfachen Mikroskop viel besser Entdeckungen machen können,
als mit dem zusammengesetzten, weil bei dem einfachen die Farben fehlen,
die beim zusammengesetzten die klare Sicht stören“ Ausgezeichnete
Kugellinsen sollen jedoch schon früher von Evangelista Torricelli
(1608 – 1647), dem Nachfolger Galileo Galileis (1564 – 1642)
als Professor für Mathematik und Philosophie in Florenz, gefertigt
worden sein.
Im 19. Jahrhundert hat Pieter Harting (1813 – 1885) und um 1950
Pieter van der Star (Kurator im Reichsmuseum für Geschichte der Naturwissenschaften
in Leiden) Glaskügelchen hergestellt und sie mit Linsen historischer
einfacher Mikroskope verglichen. Die Vergrößerungen von Hartings
Kugeln – sie waren übrigens nicht nach der Methode von Hooke
hergestellt, sondern nach Abbrechen des Schwanzes nochmals aufgeschmolzen
und damit völlig abgerundet worden – lagen zwischen 80fach
und 2000fach, wobei die Auflösung besser als ein Mikrometer gewesen
sein soll. Van der Star hat 65 selbst hergestellte Glaskugeln mit Vergrößerungen
zwischen 100x und 360x vermessen und mit historischen Linsen verglichen.
Er fand seine eigenen besser als beispielsweise die von Johan Joosten
van Musschenbroek (1660 – 1707) und vermutete die Ursache dafür
in der grundsätzlich schlechteren und dazu noch schwankenden Qualität
des Glases im 17. Jahrhundert. Van der Star sah hierin den Grund für
das Bemühen vieler Mikroskopiker und Instrumentenbauer jener Zeit,
die Kügelchen durch geschliffene Linsen zu ersetzten. Es sollten
sich in einem größeren Glasbrocken leichter einwandfreie, für
das Schleifen geeignete Stückchen finden lassen, als nur in einer
der Linsengröße entsprechenden Portion des Schmelzgutes. Übrigens
hatte bereits Hooke gefordert, das Glas zur Herstellung der Kugellinsen
sorgfältig auszuwählen.
Trotz der spektakulären Erfolge, die berühmte Mikroskopiker
wie Malphigi, Swammerdam und Leeuvenhoek mit einfachen Mikroskopen im
17. Jahrhundert erzielten, ließen sich weitblickende Gelehrte und
Instrumentenbauer jener Zeit in ihren Bestrebungen zur Verbesserung des
zusammengesetzten Instruments nicht beirren. Sie hatten seine prinzipielle
Überlegenheit über das einfache Mikroskop erkannt und erdachten
eine Vielzahl optischer und mechanischer Verbesserungen, die allerdings
meistens weniger theoretischen Überlegungen entsprangen, sondern
vielmehr durch geduldiges Experimentieren und Beobachten gefunden wurden.
So versuchte man – und das durchaus erfolgreich - , das Sehfeld
zu vergrößern und die Bildhelligkeit zu erhöhen. Beides
gelang durch Einfügen einer dritten Sammellinse, der sogenannten
Feldlinse, in den Strahlengang. Bald danach gab es Bemühungen zum
Ebnen des Sehfeldes mit einer zusätzlichen Okularlinse. Zweilinsige
Objektive erschienen wenig später. Die Idee dazu wurde bereits unter
anderem von Eustachio Divini (1620 – 1695), Johann Christoph Sturm
(1635 – 1703) und J. F. Grindl von Ach (1631 – 1687) vertreten.
Dass diese einfache, die sphärische Aberration reduzierende Massnahme
(vor allem, wenn plankonvexe Linsen mit ihrer planen Seite gegen das Präparat
gerichtet wurden) solange in Vergessenheit geraten ist, ist schwer verständlich.
Allerdings entsteht bei solchen Objektiven das schwierige Problem, die
optische Achse der einzelnen Linsen genau ineinander zu vereinigen, was
schon Grindl angemerkt hat. In der Folge enthielten die Mikroskope oft
vier, sechs oder noch mehr Linsen. Da das Verständnis für die
Ursachen der Abbildungsfehler aber noch weitgehend fehlte, waren solche
Instrumente wegen der mangelhaften Qualität der Linsen häufig
schlechter als zwei oder dreilinsige.
So wurde lange Zeit durch empirisches Herumtasten versucht das Instrument
zu verbessern. Dabei war man sich aber über die wissenschaftlichen
Zusammenhänge im Unklaren. Jedes herzustellende Objektiv wurde durch
Versuche, allgemein „Pröbeln“ oder auch „Tatonnement“
genannt, zusammengesetzt. Dabei probierte man aus einer oft großen
Zahl vorgefertigter Linsen – oft mehr als 1000 Stück von jeder
Sorte - ein möglichst klares und helles Bild zu erhalten. Oft kopierten
kleinere Werkstätten die Produkte bereits etablierter Hersteller,
wie es auch häufig im Stativbau vorkam. Durch Erfahrung und Fleiß
kam man zu einer Güte, die auch heute noch Erstaunen über die
Leistung mancher Hersteller hervorruft. Die ersten achromatischen Objektive
konstruierten Jan (1715 – 1801) und Harmanus van Deyl (1738 –
1809) in Holland. Das erste praktisch brauchbare achromatische Objektiv
(es bestand aus drei Linsen verschiedener Glassorten) konstruierte basierend
auf theoretischen Grundlagen der Amsterdamer Francois Beeldsnyder (1755
– 1808). Verglichen mit den ersten achromatischen Fernrohrobjektiven,
die bereits 1755 von John Dollond (1706 – 1761) in den Handel gebracht
worden, vergingen hier mehrere Jahrzehnte, da man die kurzbrennweitigen
und daher kleinen Linsen, wie sie für ein Mikroskop erforderlich
sind, nicht schleifen konnte.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wetteiferten mehrere kontinentale
Mikroskophersteller (wie J. Fraunhofer, W. und C. Chevalier, G. B. Amici,
S. Plössl und andere) mit den manchmal in der Entwicklung der Mikroskop-Objektive
im voraus befindlichen englischen Herstellern (wie J. Lister, A. Ross,
H. Powell , J. Smith und andere), um die Qualität der Objektive bezüglich
Achromasie, sphärische Korrektur bzw. Öffnungswinkel und Auflösungsvermögen
zu verbessern.
Trotz der ständig anwachsenden Leistung der Objektive mussten jedoch
alle oben angeführten Optiker (optische Künstler !) ihre jeweiligen
Objektive mit bereits gefassten Linsen durch „Pröbeln“
zusammenstellen. Der Grund dafür war die nach wie vor größtenteils
fehlende theoretische Kenntnis der physikalisch-optischen Zusammenhänge.
So konnte man um die Mitte des 19. Jahrhunderts bereits brauchbare Mikroskope
mit guter Optik herstellen. Kein Erzeuger war aber in der Lage zwei optisch
idente Geräte zu erzeugen. Die Prüfung für die ausreichende
Leistung der Objektive erfolgte durch sogenannte Testobjekte. Besonders
wurden die Feinstrukturen des Kieselskelettes verschiedener Diatomeen
bzw, Schmetterlingsschuppen zur Untersuchung des Auflösungsvermögens
verwendet. Diese Methode hatte aber zwei Nachteile: es war jeweils nicht
bekannt, welche noch feineren Strukturen bei einem im Moment noch nicht
erreichbaren Auflösungsvermögen allenfalls aufzulösen gewesen
wären, sodass neue Testobjekte gesucht werden mussten. Zusätzlich
bildeten diese Testobjekte keine gleichmäßige Reihe immer feinerer
Strukturen. Diese natürlichen Objekte hatten auch eine unterschiedliche
Dicke und stellten sich unter verschiedenen Beleuchtungsarten und Einschlussmitteln
sehr verschieden gut dar.
Dem half Friedrich Adolf Nobert (1806 – 1881) ab 1845 ab. Mit einer
von ihm selbsterfundenen Kreisteilungsmaschine stellte er Testplatten
her, die aus immer näher beiei-nanderliegenden Striche bestanden.
Sie wurden mittels einer Diamantspitze auf einem dünnen Glasplättchen
in Gruppen, die eine geometrische Reihe bildeten eingeritzt. Der Abstand
der Striche der jeweiligen Gruppe war exakt bekannt. Wenn jemand die feinste
Gruppe einer Platte aufgelöst hatte, wurde von Nobert eine neue Testplatte
mit noch feineren Gruppen erzeugt. So entstanden von 1845 bis 1873 sieben
verschiedene Testplatten. Die letzte Testplatte enthielt zwanzig Gruppen.
Die letzten Gruppen waren so fein, dass sie mit einem Lichtmikroskop nicht
aufgelöst werden können. Erst 1966 konnten durch elektronenmikroskopische
Untersuchungen von Turner und Bradbury die letzten Gruppen aufgelöst
werden. Ein anderer Hersteller von solchen Testplatten war Charles (Karl)
Fasoldt (1818 – 1898) ein deutschstämmiger amerikanischer Uhrmacher.
Auch seine Testplatten enthielten Gruppen mit immer feiner werdenden Strichabständen,
von denen die feinsten Gruppen ebenfalls nicht mit einem Lichtmikroskop
aufgelöst werden können.
Diesem ewigen Probieren ein Ende zu setzen, war das Bestreben von Carl
Zeiss (1618 – 1888). Er kam zu der Überzeugung, dass dem Fortschritte
beim Bau von Mikroskopen auch bei bestem handwerklichem Können Grenzen
gesetzt sind, wenn eine möglichst vollkommene Form der optischen
Systeme nicht durch vorherige Berechnung gefunden wird. 1863 wandte er
sich an den damaligen Privatdozenten Ernst Abbe (1840 – 1905) und
stellte ihm die Frage, ob er die Fertigung von Mikroskopen auf eine wissenschaftliche
Grundlage stellen könnte. Diese Idee von Carl Zeiss hat Abbe über
viele Hindernisse hinweg verwirklicht.
Abbe war ab 1866 vollamtlich für die Firma Zeiss tätig. 1871
stellte Abbe fest, dass bessere Objektive mit den zur Verfügung stehenden
optischen Gläsern nicht zu bauen waren. Es war damals sehr schwierig,
optisches Glas genau definierter Eigenschaften zu erhalten. Zudem hatte
jede Schmelze wieder abweichende Eigenschaften. Auch war die Auswahl an
verschiedenartigen optischen Gläsern zu klein. Aus dieser Schwierigkeit
heraus begann die Zusammenarbeit mit Otto Schott (1851 – 1935) einem
Spezialisten für Glas. Dieser richtete 1882 ein Laboratorium in Jena
ein und lieferte bald interessante Gläser.
Abbe hat einen hohen Aufwand an theoretischer Arbeit, aber auch sehr viele
experimentelle Studien an Gläsern und Linsenkombinationen betrieben.
1872 wurden in Jena die ersten vollständig auf Abbes Berechnungen
beruhenden Objektive gebaut. Mit den ab 1883 von Otto Schott gelieferten
neuen Gläsern unternahm es schließlich Abbe, die Krönung
seiner Arbeit zu schaffen: die Apochromate. Diese Objektive wiesen auch
eine Korrektur des verbleibenden sekundären Farbfehlers der Achromate
auf. 1886 entstand ein 10-linsiger Apochromat mit einer 3 mm Brennweite
und einer numerischen Apertur von 1,40. Aber Zeiss blieb nicht lange allein.
Bereits 1887 lieferte Carl Reichert – der bedeutende Nachfolger
von Plössl in Wien – ebenfalls Apochromate.
Seit damals ist grundsätzlich die Korrektion von Mikroskop-Objektiven
nicht mehr wesentlich gesteigert worden. Erst in neuerer Zeit erreichte
man durch immer bessere Vergütungen der optischen Linsen und neueren
Berechnungen für die Planität des Gesichtsfeldes eine immer
besser werdende Brillanz des betrachteten Bildes.
Ergänzende Literatur:
Boegehold, H.: „Das optische Systems
des Mikroskops“, VEB Verlag Technik, Berlin, 1958
Dippel, Leopold.: „Das Mikroskop
und seine Anwendung”, Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig, 1882
Ford, Brian J.: „Singe Lens –
The story of the simple microscope“, Harper & Row, Publishers,
New York 1985
Frey, Heinrich: „Das Mikroskop und
die Mikroskopische Technik“, Wilhelm Engelmann, Leipzig, 1877
Gloede, Wolfgang: „Vom Lesestein zum Elektronenmikroskop“,
VEB Verlag Technik Berlin, 1986
Hoog, Jabez: „The Microscope“,
George Routledge and Sons, London, 1883
Hooke, Robert: „Micrographia“,
London, 1665
Merkel, Friedrich: „Das Mikroskop
und seine Anwendung“, Verlag von R. Oldenbourg, München, 1875
Petri, R. J.: “Das Mikroskop”,
Verlag von Richard Schoetz, Berlin 1896
Rockstroh, Heinrich: “Das Mikroskop”,
Wilhelm Schüppel, Berlin, 1835
Rooseboom, Maria: “The History of
the Microscope” in Proceedings of the Royal Micro scopical Society,
Vol. 2, p.p. 266-293 1967
Steiner, Erich: „Die Nobert`schen
Probeplatten – ein Meilenstein in der Geschichte der Mikroskopie“,
Mitteilungsblatt der Mikrographischen Gesellschaft Wien, Heft 2, 1994,
S. 22 - 25
Steiner, Erich: „C. Fasoldt`s Micrometric
Ruling – ein Wunderwerk der Präzision“, in Mikrokosmos
92, Heft 3, S. 165 – 170, Urban & Fischer, Jena, 2003
Turner, Gerald L`E.: “Essays on
the History of the Microscope“, Senecio Publishing Company Limited,
Oxford England, 1980
Volkmann, Harald: „Geschichte der
Mikroskopie“, in Broschüre des Optischen Museums Oberkochen,
(ohne Jahresangabe)