Das
Thema des 2. Internationalen Mikroskopiker-Pfingsttreffens 2004 der
MGW war geprägt von der Bearbeitung mikropaläontologischer
Proben, die dem Wiener Becken (Nussberg / Wien; Blauer Bruch / Kaisersteinbruch
/ Bgld.) und einer Fundstelle in Kärnten (Klein St. Paul / östliches
Krappfeld) entstammen. Als besondere Rarität wurden auch Nannoplankton-Proben
aus Rohrbach / Bgld. ausgegeben, zu Dauerpräparaten verarbeitet,
und besprochen.
Da die Foraminiferen im Laufe der Erdgeschichte eine intensive Evolution
durchlaufen haben, eignen sich viele von ihnen, da sie nur eine relativ
kurze Zeitspanne (in der geologischen Zeitskala) existierten, hervorragend
als 'Index-Fossilien' für die Altersbestimmung (Biostratigraphie).
So kann man mit fossilen Foraminiferen die Schichtenfolge der Kreide-
und Tertiärzeit weltweit in über 100 einzelne Zonen untergliedern.
Foraminiferen kommen von den Tropen bis zur Arktis in sehr unterschiedlichen
Arten und charakteristischen Faunen-Assoziationen vor und lassen so
als 'Klimaindikatoren' Rückschlüsse etwa auf das tertiäre
Klima an den Fundstellen zu. Fossil sind nach neuesten Angaben etwa
80.000 Arten bekannt, rezent etwa 4.000 Arten.
Foraminiferen gibt es seit dem frühen Kambrium, also seit ca. 590
Mio. Jahren, bis zum heutigen Tag, und sie sind Einzeller (Protozoa)
vom Stamm der Wurzelfüsser (Rhizopoda) mit ein- oder mehrkammerigen
Gehäusen. Diese bestehen entweder a.) aus Kalk, oder b.) aus einer
organischen Matrix, an welcher Fremdkörper wie z.B. Sandkörner
agglutiniert werden, oder c.) aus rein organischem Material (Tektin).
Die Schale ist bei den Perforata siebartig gelocht, bei den Imperforata
glatt. Die Kammernanordnung ist artenspezifisch, und die Grössenvariabilität,
die von 0,01 bis etwa 150 mm reichen kann, extrem gross (Kleinforaminiferen:
bis ca. 1 mm, Grossforaminiferen: > 1 mm bis zu ca. 150 mm Durchmesser).
Im Inneren des Gehäuses befindet sich das Zytoplasma, also der
eigentliche Einzeller, der sich durch Ausstrecken von filamentartigen
Zellfortsätzen, den Retikulopodien (verästelte pseudopodiale
Netzwerke), bewegt und sich durch die Öffnungen von Detritus, Protozoa
und Metazoa ernährt. Foraminiferen leben in sehr unterschiedlichen
Meerestiefen, weitaus überwiegend im schlammigen Boden (Benthos
/ benthische Lebensweise) der Meere. Einen geringeren Anteil stellen
die in der Wassersäule schwebenden (planktische Lebensweise) Foraminiferen
dar, die in lichtdurchfluteten Bereichen von 0 - 150 m Wassertiefe vorkommen
und im adulten Stadium max. 500 - 600 µm Grösse erreichen.
Neben der Anfertigung von Gesteinsschliffen umfasste die mikropaläontologische
Arbeit des Pfingsttreffens vor allem auch das Auslesen von gewaschenen
und gesiebten Bodenprobenfraktionen.
1. Funde aus dem Wiener Becken
Die ausgelesenen Proben zeigen einen Querschnitt durch die Meeresfauna
des tertiären Wiener Beckens. Vor allem Foraminiferen und Zähne
von Fischen finden sich in gut erhaltenem Zustand.
Am 'Grünen Kreuz' in Nussdorf / Wien befindet sich eine klassische
Foraminiferen-Fundstelle an der Schichtgrenze zwischen Flysch- und der
oberen Lagenidenzone des Badenien (16,5 - 15 Mio. Jahre), die noch heute
besteht. Es handelt sich um fossile Ablagerungen der Parathetys. Die
ersten Berichte über Proben dieser Fundstelle gehen auf Joseph
von Hauer zurück, der mit finanzieller Unterstützung von Kaiser
Ferdinand I das Material ab 1838 von Alcide d'Orbigny bearbeiten und
bestimmen liess. 1846 wurden diese Arbeiten d'Orbigny's mit 228 bestimmten
Arten in dem Werk 'Die fossilen Foraminiferen des tertiären Wiener
Beckens' veröffentlicht und stellen bis heute ein Referenzwerk
dar.
Im 'Blauen Bruch' von Kaisersteinbruch / Bgld. finden sich im parathetischen
Küstengestein des heutigen Leithagebirges u.a. von der seinerzeitigen
Brandung des warmen Meeres eingespülte Knochen und Zähne,
die Rückschlüsse auf die damals lebende Meerestierwelt erlauben.
Diese umfasste Haie, Seekühe, Tintenfische, Zahn- und Bartenwale,
Seehunde, Meeresschildkröten, Adler- und Stechrochen, Schnecken,
Muscheln, Korallen, Austern, Schwämme, Moostierchen und eine artenreiche
Planktonfauna, von der besonders die Kammerlinge (Foraminiferen) und
das Nannoplankton zu nennen sind. An Land stellten Palmen, Sequoias,
Wasserfichten, Wasserulmen, Kieferngewächse (Pinaceen), Sumpfzypressengewächse
(Taxodiaceen), Platanen und tropische Krebsscherengewächse die
Flora dar, in welcher sich Affen, Krokodile, Tapire, Nashörner,
Landschildkröten und Anthracotherien wie Brachyodus onoideus, Paarhufer
mit verlängerter, schweineartiger Schnauze, bewegten.
Aufgrund der bewegten geologischen Vergangenheit finden sich in Österreich
Foraminiferen neben den bereits genannten Fundorten u.a. auch in Soos
/ NÖ, am Auernig / Kärnten, in den Karnischen Alpen / Kärnten
/ Osttirol, im Ausseerland / Salzkammergut, in Plesching bei Linz /
OÖ, und an der Hohen Wand / NÖ.
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